Die kursiven Frakturschriften
Die kursiven Schriften sind in der Gesamtheit der Frakturschriften eher selten anzutreffen. Sie bilden daher innerhalb der gebrochenen Schriften zugleich eine künstlerische Ausnahme mit hoher Wertigkeit.
Warum das so ist, soll in den nachstehenden Ausführungen erklärt werden.
1. Entstehung kursiver Schriften
Kursive Schriften entstanden in den Handschriften vergangener Jahrhunderte mit der Vergesellschaftlichung der Schrift, indem durch den wachsenden Schriftverkehr (Verträge, verschriftete Rechtsprechung, Redekonzepte, gesammelte wissenschaftliche Aufzeichnungen, Dichtung, Informationsaustausch, Bildung) sich mit den verbesserten Schreibunterlagen und -geräten (Wachstafeln und Stilus, Papyrus und Rohrfeder, Pergament und Vogelfeder) die senkrecht stehende „Normschrift” – meist nach rechts geneigt – viel schneller geschrieben werden konnte. Zwar gab es bereits 1495 den ersten kursiven Schriftschnitt mit beweglichen Metallbuchstaben einer griechischen Drucktype des italienischen Typographen Aldus Manutius d. Ä. (1449-1515), jedoch besteht die Thematik für die Herstellung einer kursiven Frakturschrift für die Drucktechnik in zweierlei Hinsicht.
2. Wozu werden kursive Schriften gebraucht?
Im Buchdruck mit beweglichen metallischen Typen seit Gutenberg gibt es für Auszeichnungen (Hervorhebungen) die Möglichkeit des gemäßigten Sperrens von Wörtern oder Wortgruppen oder verschieden verwendete Schriftschnitte: schmal, eng, normal, halbfett, schmalfett, schmalhalbfett, fett, breit u. a. Warum soll neben einer bestehenden Vielzahl von zuvor genannten Schriftschnitten noch ein weiterer hergestellt werden?
Bedeutete die Herstellung der sich künstlerisch entwickelnden Schriftarten von der Textur- zur reinen Frakturschrift ein sehr großes handwerkliches Können und Einfühlungsvermögen für den Stempelschneider, ergab sich erst durch die industrielle Maschinentechnik im 19. Jahrhundert mit der nunmehr mechanisierte Bleitypenherstellung im Zusammenwirken mit der sich entwickelnden Typographie des Buchdrucks die Möglichkeit, dem Wunsch der Buchverlage zu entsprechen, auch kursive Frakturschriften bei den Schriftgießereien bestellen zu können. Ein derartig erfolgreich bestehendes Alleinstellungsmerkmal einer Schriftgießerei bedeutete privilegierte Marktstellung und größeren Umsatz.
3. Herstellungsverfahren kursiver Schriften
Die technisch aufwendige Herstellung für rechtsgeneigte Frakturschriften war kostenintensiv nur mit neuen Maschinen und qualifizierten Mitarbeitern möglich. Beste drucktechnische Anleitung bot der Einblick in die damalige amerikanische Produktionstechnik großer Schriftgießereien. Insgesamt kamen für die Herstellung kursiver Frakturschriften zwei Verfahren im Bleisatz zur Anwendung.
Um im Fraktursatz ein gleichmäßiges Schriftbild mit gleichmäßigem „Grauwert” im Schriftsatz zu erreichen, müssen die Abstände der Buchstaben innerhalb eines Wortes (Laufweite) gleich groß sein. Großbuchstaben wie W, V, A, T, F, P mit einem nachfolgenden Vokal müssen dichter an die Majuskel „heranrücken” (Unterschneidung, [Kerning]). Um das zu erreichen, wurden o. g. Majuskeln mit sogenannten „Überhängen” hergestellt, die in die nachfolgende Type des folgenden Vokals außerhalb der eigentlichen Schrifttype oben hineinragten. Das führte mehr oder weniger oft im mechanischen Walzendruck der Rotationsmaschinen zu Abbrüchen der Überhänge, welche dann als „Spieße” das entstandene Druckstück durch schwarze Punkte, Striche oder Bögen verunstalteten. Unbrauchbare Typen und teure Nachbestellungen waren die Folge. Die bessere, jedoch kostenintensivere Drucktechnik wurde durch die Verwendung von sogenannten Falzkegeln ermöglicht. Diese Drucktypen waren rechts-schräg und zweimal geknickt und nahmen ohne Überhänge die komplette Frakturfigur auf. Alle nachfolgenden Bleitypen und alle Typen dieser kursiven Schrift hatten die gleiche rechts-schräg geknickte Form. Ein Abbrechen von Teilen eines Druckbuchstabens war somit ausgeschlossen.
4. Artverwandte Techniken im Fraktursatz
Aus den unter Punkt 2. und 3.1 dargestellten Sachverhalten der Schwarzen Kunst entwickelte sich Jahrhunderte zuvor aus der Verschiedenartigkeit der Schriftstile der gebrochenen Schriften von der Textur- bis hin zur reinen Frakturschrift das Gewohnheitsrecht der Stempelschneider, auch die senkrecht stehenden schmalen Figuren mit Ober- und Unterlänge mit einem nachfolgenden Buchstaben als sogenannte „Ligatur” auf eine Drucktype zu schneiden. So entstanden die frakturtypischen 14 Ligaturen, auch „Verbünde” genannt (st, ch, fi, ll, ft, ck u. a.), die im Bleisatz sowohl vollständig bis kümmerlich im jeweiligen Schriftschnitt zur Anwendung kamen.
5. Schlußbemerkungen
Weil ein kursiver Schriftschnitt, der in einer gebrochenen Schrift gesetzt wurde, anstrengender lesbar ist als ein üblich senkrecht stehender Frakturschnitt, werden die kursiven Schnitte üblicherweise für Auszeichnungen in Druckstücken verwendet. Sie verändern gegenüber dem Sperren von Wörtern weniger auffällig den Grauwert eines Schriftstücks. Die nunmehr technische Anwendungsmöglichkeit, jedwede Schrift auch kursiv stellen zu können, ist für die nicht kursiven Frakturschriften in jedem Falle abzulehnen, weil:
- die frakturtypischen Spitzen, Rundungen und Besonderheiten des originalen Schriftschnittes entstellt und verfälscht werden, zumal es vom historischen Vorbild diesen Schnitt nicht gibt;
- die so verfälschten Buchstaben werden in ihrer Typenarchitektur numerisch nur schräg gestellt und sind dadurch keineswegs kursiv;
- die echten kursiven Schnitte einer Frakturschrift wurden auch gegenüber einem anderen Schnitt der gleichen Schriftfamilie mit angepaßt-anderen Figuren dargestellt, was die Verfälschung zusätzlich vertieft.
Insgesamt sind die kursiven Schnitte der gebrochenen Schriften künstlerisch wertvolle Erweiterungen ihrer Zeit und im augenscheinlichen Vergleich mit den senkrecht stehenden Frakturschriften Ausdruck des bewegten Schriftgestaltens zugunsten schöner Typographie bis in die heutige Zeit.